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Wien um 1800. Eine Grossstadtkultur im historischen Umbruch
Universität Wien, Schreyvogelsaal, Batthyanystiege
13. September 2023 @ 14:00 – 16. September 2023 @ 17:00
Um 1800 war Wien mit ca. 270.000 Einwohnern (Berlin: 170.000) die einzige deutschsprachige Großstadt, die sich in ihrer Internationalität, Größe und sozialen Differenziertheit mit den europäischen Hauptstädten London (um 1800: knapp 1.000.000 Einwohner) und Paris (um 1800: 584.000 Einwohner) messen konnte. Die für die deutschsprachige Kulturgeschichte häufig pauschal formulierte Diagnose, es gäbe vor dem 20. Jahrhundert keine bemerkenswerte literarische und künstlerische Auseinandersetzung mit Urbanität, erweist sich etwa angesichts von programmatischen Großstadtbeschreibungen wie Johann Pezzls ‚Skizze von Wien‘ (1786–90) als historisch unzutreffend: Es handelt sich dabei vielmehr um ein Resultat der lange Zeit einseitig auf das preußisch-kleindeutsche Paradigma und auf einen relativ engen Literaturbegriff zugeschnittenen germanistischen Literaturgeschichtsschreibung. Die damit einhergehende kulturräumliche Ausblendung einer quantitativ bemerkenswerten, wenn auch qualitativ eigenwilligen Textproduktion wird dem regen (kulturellen und literarischen) Leben Wiens um 1800 nicht gerecht; dessen regionalen Spezifika können aus einer solchen Perspektive nicht adäquat wahrgenommen und beschrieben werden. Mit der ‚Broschürenflut‘, die 1781 mit der Gewährung der ‚erweiterten Preßfreyheit‘ durch Joseph II. einsetzte, hat Wien immerhin das mediengeschichtlich modernste Ereignis des deutschsprachigen 18. Jahrhunderts vorzuweisen. Das Wiener Vorstadt- und Volkstheater war nach der 1776 gewährten ‚Spektakelfreyheit‘, die zur Gründung des Leopoldstädters Theater (1781), des Freihaustheaters auf der Wieden (1787, ersetzt dann durch das Theater an der Wien 1801) und des Theaters in der Josefstadt (1788) führte, als urbanes Gegenmodell zur höfischen Theaterkultur (Erhebung des Burgtheaters zum Hof- und Nationaltheater 1776) um und erneut nach 1800 eine einzigartige Erscheinung im gesamten deutschen Sprachraum, die sich stofflich in engem Austausch nicht nur mit dem Theater der deutschen Provinz, sondern auch mit dem Pariser und Londoner Theater befand. Zu vielen der genannten Aspekte existieren mittlerweile bemerkenswerte Einzelstudien, doch fehlt eine Darstellung, die die Koexistenz sowie das Zusammenspiel der unterschiedlichen Medien und Künste transdisziplinär in den Blick nimmt. Es ist längst an der Zeit, diese wichtige Phase der Wiener Kultur- und Literaturgeschichte aus integrativer Perspektive aufzuarbeiten. Das macht sich die Tagung „Wien um 1800. Eine Großstadtkultur im historischen Umbruch 1780– 1820“ zur Aufgabe.
Organisation: Norbert Christian Wolf, Gernot Waldner, Lydia Rammerstorfer
Link zum Programmflyer: https://ucloud.univie.ac.at/index.php/s/ZI8NdBQmDPvJpUi