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Tagung: Robert Musil: „Nachlaß zu Lebzeiten“ (1936)

28. Februar @ 08:00 1. März @ 17:00

Organisation: Norbert Christian Wolf/Thomas Hübel

Robert Musils Nachlaß zu Lebzeiten (1936), der fiktionale Texte ebenso wie Glossen und Essays umfasst, stellt eine der bedeutendsten Sammlungen von Kurzprosa im 20. Jahrhundert dar. Die geplante Tagung sieht eine genaue Re-Lektüre dieser poetologisch hochkomplexen Texte vor.

Da Musil die im Nachlaß zu Lebzeiten vereinigten Texte zwischen 1914 und 1931 bereits in Zeitungen und Zeitschriften – in manchen Fällen mehrfach – veröffentlicht hatte, wären die jeweiligen Publikationskontexte zu untersuchen sowie auch die Kriterien, an denen Musil sich bei der Auswahl der Texte und der Komposition des Bandes orientierte. Weitere Themen wären die Genese der einzelnen Texte sowie die Prinzipien, die der Überarbeitung der Texte zugrunde liegen.

Vergleiche mit der Kurzprosa zeitgenössischer Autorinnen und Autoren (beispielsweise G. Simmel, E. Lasker-Schüler, F. Blei, A. Polgar, E. E. Kisch, S. Kracauer, W. Benjamin, J. Roth, M. Lazar, B. Brecht, M. Fleißer sowie F. Kafka und R. Walser, deren Bücher Musil besprochen hatte) könnten unter verschiedenen Aspekten erfolgen. Dadurch ließen sich auch die Spezifika von Musils poetischen Verfahrensweisen herausarbeiten.

Musils Interessen decken ein weites Gebiet ab, das den Kunst- und Wissenschaftsbetrieb, Architektur, Sport, Mode, das Geschlechterverhältnis sowie kulturtheoretische Fragen umfasst. Er verarbeitet zeitgenössische Wissensbestände und leistet Transfers bzw. Übersetzungen zwischen unterschiedlichen Wissensbereichen. Dementsprechend sind die Texte des Nachlaß zu Lebzeiten auch politisch, sozioökonomisch, kulturell und wissensgeschichtlich zu kontextualisieren.

Aktuelle Forschungsfelder und -debatten wie etwa jene zu den Animal Studies, zur Intermedialität oder zum Begriff der Werkpolitik geben Anlass, den Nachlaß zu Lebzeiten in neuem Licht zu lesen und neue Forschungsfragen zu entwickeln. Auch fachdidaktische Fragestellungen bieten sich an, denn der Nachlaß zu Lebzeiten eignet sich wie kein anderes Buch Musils als erster Einstieg in dessen Werk.

Musil wandte sich mit der zunächst für Zeitungen und Zeitschriften verfassten und später im Nachlaß zu Lebzeiten versammelten Kurzprosa an ein breiteres Publikum, an einen – wie er schrieb – „unaufmerksamen, ungleichen, dämmerig-großen Leserkreis“ (GW II, S. 474). Es ist verschiedentlich behauptet werden, dass er, um den Lesegewohnheiten dieses Publikums zu entsprechen, seinen satirischen und ironischen Stil, die gleitenden Übergänge von Erzählung und Essay entwickelt hat. Diese Kurzprosa bilde also eine „Stilwerkstatt“ (Thomas Hake), die es Musil erst ermöglichte habe, den Mann ohne Eigenschaften zu verfassen. Die vielfältigen Bezüge des Nachlaß zu Lebzeiten zum Mann ohne Eigenschaften können in dieser Tagung herausgearbeitet werden; diese liegen auf thematischer, motivischer, stilistischer, metaphorischer Ebene und betreffen auch die Verschränkung von Narrativem, Bildhaftem und Reflexivem sowie die Adaption wissenschaftlicher Begriffe und Modelle. Gleichwohl ist auch zu fragen, in welchen Fällen es angemessener wäre, diese vielschichtigen Texte nicht nur in ihrer Funktion für den Mann ohne Eigenschaften und als Etappen auf dem Weg zu ihm, sondern auch in ihrer Eigenart und Besonderheit zu begreifen.

Eine Kooperation der Internationalen Robert Musil-Gesellschaft, des Instituts für Germanistik und des Vereins für Neugermanistik
Mit freundlicher Unterstützung der IRMG und der Stadt Wien Kultur