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Tagungs-Panel in Bukarest: „Dichter schreiben einsam“. Praktiken, Medien und Orte gemeinschaftlichen literarischen Schreibens vom 18. bis ins 21. Jahrhundert

18. September @ 08:00 21. September @ 17:00

Panel des Vereins für Neugermanistik der Universität Wien in Zusammenarbeit mit dem
Nachwuchsnetzwerk Neugermanistik am 7. Kongress des Mitteleuropäischen
Germanistenverbands (MGV) in Bukarest (Rumänien)



„Weißt du, wie die Dichter schreiben? Hast du je einen geseh’n? Dichter schreiben einsam.“ In der ersten Strophe von Engel fliegen einsam (2005) evoziert die mittlerweile weitgehend vergessene Popsängerin Christina Stürmer eine ebenso traditionelle wie klischeehafte Vorstellung literarischen Schreibens: Eine Autorin sitzt alleine an einem Schreibtisch, bestenfalls in einer dunklen, kleinen Kammer und lässt seiner/ihrer Kreativität freien Lauf – natürlich just in dem Moment, in dem er/sie, “von der Muse geküsst”, einen Moment dichterischer Erleuchtung erlebt. Der literarische Schaffensprozess ist kontemplativ, ein mystischer, ein opaker Akt, an dessen Ende auf wundersame
Weise ein Buch steht. Nun handelt es sich bei Stürmers Versen um keine popkulturelle
Romantisierung von Schriftstellerei, sondern um die Reproduktion eines Bildes, das vielmehr von den zentralen Akteuren des Literaturbetriebes seit Jahrhunderten selbst kultiviert wird – den Schriftsteller*innen. Die Imagination von Autorschaft als ‚einsamer Akt‘ hat ihren Ursprung schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Gegen die vorherrschende normative Regelpoetik etablierte sich ab den 1770er-Jahren, befeuert durch die Genieästhetik des Sturm und Drang, das Konzept individueller Autorschaft. Der/Die Schreibende tritt als Schöpferin in Erscheinung; seine/ihre einzigartige
Individualität geht in der Originalität des singulären Kunstwerkes auf. Es ist dieses Paradigma, das bis heute dominant geblieben ist, wie Carolin Amlinger in ihrer vielbeachteten Studie Schreiben. Eine Soziologie literarischer Arbeit (2021) erst jüngst wieder vor Augen geführt hat: Die von ihr interviewten Autor*innen halten sich für „Alleingänger“ (708); Sozialkontakte stören, ebenso wie Schlaf, das
Schreiben (622). Diese Selbstcharakterisierung gibt freilich nur bedingt Auskunft über die tatsächliche schriftstellerische Praxis. Die Forschung hat in den letzten Jahren herausgearbeitet, dass Texte in einem Ensemble kollaborativer Praktiken entstehen, die oftmals aber im Verborgenen bleiben (Ehrmann 2023). Der ostentativen Reklamation singulärer, geniehafter Autorschaft stehen vielfältige Formen des Austausches, der Zusammenarbeit und der Vernetzung von Autor*innen gegenüber. Dabei erscheinen Praktiken, Medien und Orte gemeinschaftlichen Schreibens einerseits aus synchroner Perspektive von Interesse; andererseits bedarf auch der Wandel dieser Praktiken und ihrer Inszenierungen aus diachroner Perspektive, der bislang noch wenig in einer systematischen Zusammenschau thematisiert wurde, Aufmerksamkeit. Den sich daraus ergebenden Fragen und Themen wollen wir uns im Rahmen unseres Panels auf dem VII. Kongress des Mitteleuropäischen Germanistenverbandes (MGV) widmen. Durch Beispiele aus verschiedenen Jahrhunderten sollen Kontinuitäten und Brüche sichtbar gemacht werden. Damit schließen wir an ein produktives Forschungsfeld an, das sich im Zuge des verstärkten Interesses an praxeologischen Fragestellungen und der Entdeckung sozialer Netzwerktheorien für die Literaturwissenschaft etabliert hat.


Organisation: Lydia Rammerstorfer, Carina Hinterdorfer, Julia Lückl

Teilnehmer*innen: Marlene Back, Marlene Haslinger-Fenzl, Carina Hinterdorfer, Lea Keil, Sebastian Kugler, Julia Eder, Julia Lückl, Maximilian Platzer, Lydia Rammerstorfer